Das Gerling-Quartier als Auftakt für gated communities in Köln? 

Die offene Gesellschaft braucht eine offene Stadt!

Wer darf auf Kölner Plätzen und Wegen gehen? Wer darf stehen, sitzen, gucken, wer darf sich ausruhen und wie lange? Wer darf wovon Fotos machen und vor allem: Wer bestimmt über all das? Wie wir Plätze und Wege gestalten, wie wir den öffentlichen Raum verteilen und nutzen bestimmt zu einem großen Teil darüber, wie wir unsere Stadt erleben. Gerade die aktuelle Debatte um das Gerling-Quartier bietet Anschauungsmaterial für diese Fragen und dafür, wie diese zwischen Stadtverwaltung und Investor*innen geklärt werden (oder auch nicht). Hier wird exemplarisch verhandelt, wie wir uns die Stadtgesellschaft, wie wir uns den öffentlichen Raum und wie wir uns eine funktionierende Stadtverwaltung vorstellen.

Was ist passiert? 

Das ehemalige Verwaltungsensemble der Gerling-Versicherung wurde seit 2010 zu besonders hochpreisigen Luxuswohnungen umgewandelt. Im Herzen des Quartiers befindet sich eine große “Piazza”, die nach den damaligen Versprechungen der Investor*innen und der Vorstellung vieler Politiker*innen ein öffentlicher, belebter Raum werden sollte. Es wurden in schönsten Farben italienische Plätze als Vorbilder gemalt. 

Heute verweist der private Sicherheitsdienst Menschen, die auf dem Platz verweilen, von diesem. Er beruft sich darauf, dass es kein förmliches Verweilrecht auf dem Areal gibt, sondern die Stadt sich nur ein Durchgangsrecht gesichert habe. Ob die Verwaltung dies in Kenntnis der Folgen oder in blindem Vertrauen auf die Versprechungen der Investor*innen tat, kann an dieser Stelle dahinstehen.

Dies stellt für uns alle einen unhaltbaren Zustand dar.

© Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Wir stehen ein für eine bunte und offene Stadt. Für eine Stadt, die Heimat und Teilhabe für alle bietet ohne erforderliche Zugangsberechtigungen. Wir wollen in einem Köln leben, das das Öffentliche als sein Lebenselixier und alle, insbesondere innerstädtische, Plätze als offene Orte für alle begreift.  

Wir fordern von den Eigentümer*innen, die Piazza als öffentlichen Platz zu akzeptieren, der im üblichen Rahmen genutzt werden kann. Neben einem unverzüglichen Bekenntnis dazu gilt es, dieses auch rechtssicher niederzulegen.

Wir fordern von der Stadt Köln, diesen Zustand schnellstmöglich im oben genannten Sinne zu ändern. Dabei sind die etwaigen Verhandlungen von den ursprünglichen Versprechen der Investor*innen ausgehend zu führen und eine Nutzung wie bei einem städtischen Platz sicherzustellen. 

Darüber hinaus muss aufgeklärt werden, wie es zu einem solchen Ergebnis kommen konnte. Dass ggf. organisatorische Konsequenzen gezogen werden, erscheint uns selbstverständlich. Wenn die Stadt nicht im Sinne der Stadtgesellschaft privatisieren kann, sollte sie dies unterlassen. Denn Grund und Boden als Fundament zukunftsfähiger Stadtentwicklung ist eine knappe Ressource und gehört in öffentliche oder gemeinwohlorientierte Hände.

Wir fordern, sich von dem naiven Umgang mit Investor*innen zu verabschieden. Investor*innen wollen Geld verdienen. Um Ihre Projekte zu realisieren, sind sie bereit Zugeständnisse zu machen, freilich stets mit ökonomischem Kalkül. Unabhängig vom Verhältnis zum Markt ist es schlicht naiv anzunehmen, man könne insbesondere langfristig die Interessen der Stadtgesellschaft anders als grundbuchrechtlich verbrieft oder durch Erlangung von Eigentumsrechten durch die Stadt oder Stiftungen absichern. Immobilien sind im freien Markt eine internationale Handelsware, ohne Sozialbindung außerhalb des rechtlich Gegebenen.

Wir halten es für erstrebenswert, dass die Kölnerinnen und Kölner die Nutzung dieses Platzes, wie jedes anderen, als ihr natürliches Recht begreifen und ihn entsprechend ihrer bürgerlichen Pflichten und Rechte beleben. Nutzt Euer Durchgangsrecht! 

 

In diesem Sinne: Packt die Rollschuhe aus & genießt Sommer & Eis als kleinen politischen Akt.

Verfasser*innen

KLuG – Köln leben & gestalten e.V.
Stadtraum 5#4 e.V.
AGORA Köln
Recht auf Stadt

 

Erstunterzeichnende:

Köln kann auch anders
Integrationshaus e.V.
Kooperative Westspitze
Baugruppe (RH)EINBLICK
WohnenWagen
Barinton Livemusic Club
nachbarschaft köln-mülheim-nord e.V.

 

Bei Interesse der Mitunterzeichnung oder des Austausches gerne an kontakt@klugev.de  wenden.